Von Rainer Holtorff

10. Juli 2015

Angesichts der Westwindlage haben wir den ursprünglichen Starttermin von Cuxhaven um drei Tage vorgezogen. Es hatte sich ein geeignetes Wetterfenster aufgetan, um ein ganzes Stück nach Westen zu kommen, und so entschlossen wir uns, es zu nutzen.

Gegen 21 Uhr warfen wir die Leinen in Cuxhaven los. Nachbarliegern, die uns noch fragten, wo es denn hingehen solle, riefen wir zu: „Nach Spanien!“ und ernteten verdutzte Blicke.

Dann nahm uns die ablaufenden Flut mit auf die Nordsee. Bei einer Brise aus Nordost segelten wir gemütlich in der Küstenverkehrszone. Die Nacht kam, die Wachen wechselten. Der Tag kam wieder. Der Katamaran, im Vorhinein als schnelles Gefährt angepriesen, hielt was von ihm versprochen worden war: Schon eine Brise wandelte er in guten Speed um. Bei etwas mehr Wind fing das Heck regelrecht an zu zischen.

Am Samstag, den 11. Juli nahmen wir die „Parade der ostfriesischen Inseln“ ab. Wir wussten schon, dass der Wind irgendwann wieder auf West drehen würde, aber wir blieben zuversichtlich, dass wir es bis Amsterdam schaffen würden. Zuletzt hatten wir den Wind zwar doch noch von vorn, aber wir erreichten Ijmuiden/Amsterdam um 4 Uhr morgens. Als es zu dämmern begann war der Kat fest und wir fielen in einen tiefen Schlaf.

Es folgten 2 Tage, in denen der Westwind unerbittlich blies. Ich fuhr nach Amsterdam und mietete mir ein Fahrrad, besuchte das Rijksmuseumm und einen Coffeshop.

Am 14. Juli ging es wieder weiter. Gern verließen wir Ijmuiden und seine triste Industrielandschaft und nahmen Kurs Südwest. Am-Wind ist ein Kurs, der dem Kat nicht unbedingt liegt, aber es ging doch ganz gut voran.

Am späten Nachmittag passierten wir Rotterdam, den größten Containerhafen Europas. Man quert den Hafen im Smallcraft-Korridor, nachdem man sich bei „Maas Entrance“ über Funk angemeldet hat. Wie an einer Perlenschnur liefen Tanker und Containerschiffe ein und aus.

Nach ein paar Meilen, drehte der Wind gegen Abend wieder auf Südwest, was uns unseren ursprünglichen Plan, bis Zeebrügge durchzusegeln, verwerfen ließ. Durch ein Nebenfahrwasser entlang der Halbinsel Zuid-Beveland, Provinz Zeeland, gelangten wir zunächst nach Vlissingen und dann nach Breskens, wo wir gegen 1 Uhr morgens bei Hochwasser festmachten.

 

15. Juli

Mal wieder werden wir durch Westwind aufgehalten. Außerdem warten wir noch auf ein viertes Crewmitglied, das am Nachmittag zusteigen wollte. Gegen Abend würde es dann weiter gen Calais gehen.

16.07.15

Marcus – unser neuer Mann tauchte auf. Er kam an Bord, als ob er schon immer ein Teil der Crew gewesen war. Tatsächlich kannte ich ihn nur vom Telefon.

Gegen 21 Uhr, als der Westwind sich endlich gelegt und auf Nord gedreht hatte, verließen wir Breskens. Wir stellten fest, dass wir nicht die einzigen waren, die losfuhren. Zwei andere Yachten mit holländischer Flagge liefen kurz nach uns aus, Unsere Überlegungen, bezüglich der richtigen Abfahrtszeit, konnten also nicht so falsch gewesen sein.

Als es dunkel wurde, trennten sich unsere Wege. Während die zwei holländischen Schiffe das Fahrwasser vor Nieuwport und Dünkirchen suchten, entschieden wir uns für eine Route, die weiter draußen lag. Auch uns blieb es nicht erspart, um diverse Flachs herum zu navigieren. Denn vor Dünkirchen bis etwa 20 Meilen hinaus zum Verkehrstrennungsgebiet, befinden sich die Flämischen Bänke. Riesige Sandbänke, in Längsrichtung zum Kanal, wo sich bei stärkerem Wind die Wellen brechen. Um im tiefen Wasser zu bleiben, muss man Umwege in Kauf nehmen und einigen Fischern, für die diese Bänke Jagdgründe sind, ausweichen.

Als es wieder hell wurde, standen wir vor Calais. Wir wären gern weiter bis Cherbourg gesegelt, aber der Nordost, der jetzt langsam aufbriste, würde am Abend wieder auf Südwest drehen – zu weit, um Cherbourg zu erreichen.  Somit war die Diskussion, ob die englische oder die französische Küste für unsere Fahrt die geeignetere sei, beendet. Der Wind hatte entschieden. Wir begannen die Straße von Dover zu queren. Bei nordöstlichem, also halbem Wind ist dies kein großer Akt: Keinem einzigen Frachtschiff haben wir ausweichen müssen. Mit acht, neun Knoten liefen wir nach Norden und bereits nach eineinhalb Stunden tauchten Weiße Kliffs aus dem Dunst vor uns auf.

Von vor Dover ging es vor dem Wind gen Westen. Wir umrundeten die Landspitze Dungenes, als der Strom bereits gegen uns setzte. Liefen beinahe auf die Royal Sovereign Shoals, ohne es zu merken. (Obacht bei elektronischer Navigation!) Erreichten die weißen Felsen von Beechy Head, dieses beeindruckende Massiv, das aussieht, als hätte es jemand mit einem riesigen Brotmesser abgeschnitten.

Strom und Wind auf unserer Seite und noch 12 Meilen bis Brighton. Klang doch gut, oder?

 

Leider folgte eine unfreiwillige Unterbrechung der Reise. Was sich abspielte können Sie nachfolgend auf Englisch in einem „Brief an die Werkstatt“ lesen…